Restschuldbefreiung und Strafrecht – eine üble Mischung – BGH 1 StR 337/15, Beschluss vom 14. März 2016

So mancher Schuldner hat das Gefühl, dass es doch ungerecht ist, wenn seine Gläubiger all das hart erarbeitete Vermögen bekommen sollen, dass eigentlich für die eigene Altersvorsorge gedacht ist. Altersvorsorge ist doch ein anerkennenswertes Ziel. Tatsächlich sieht das auch der Gesetzgeber so. Es gibt extra für Selbständige eingeführte Pfändungsvorschriften, die nach Alter gestuft Vermögen pfändungsfrei machen und so dem Zugriff der Gläubiger entziehen. Das gilt auch für das Insolvenzverfahren. Nur heißt das nicht, dass alles Vermögen geschützt ist, dass der Altersvorsorge nach Wunsch des Schuldners dienen soll. Wer diesem Irrtum erliegt und Vermögen verheimlicht, riskiert nicht nur seine Restschuldbefreiung. Nach einer neuen BGH-Entscheidung vom 14.03.2016 geht es sogar um Bankrott, eine Straftat, die zu Gefängnisstrafen führen kann. Eine üble Mischung.

In dem entschiedenen Fall hatte ein Schuldner rund 1,8 Millionen Euro Schulden. Und bei einer Schweizer Bank mehr als 2,0 Millionen US-Dollar Guthaben. Die wollte er nicht teilen und gab in seinem Insolvenzantrag an, er habe nur Bankguthaben von rund 16 Euro. Auch später verschwieg er der Insolvenzverwalterin sein Guthaben und schichtete das Geld dann noch in eine Lebensversicherung um. Auch dies verschwieg er. Das Verfahren nahm seinen Gang und die Gläubiger erhielten keine Quote gezahlt, weil die Verwalterin nur 102 Euro einnehmen konnte. Sechs Jahre später erteilte das Amtsgericht wie angekündigt dem Schuldner die Restschuldbefreiung.

Damit hätte für den Schuldner alles glatt gehen können, doch dann kam die Steuer-CD. Sein Name fiel bei einem Datenabgleich des Finanzamtes auf und ein Steuerstrafverfahren begann. Während dieses Verfahrens bemerkte ein Beteiligter, dass der Schuldner ein Insolvenzverfahren durchlaufen hatte und meldete die versteckten Vermögenswerte dem Amtsgericht. Das Amtsgericht hob daraufhin die erteilte Restschuldbefreiung auf. Der Schuldner zahlte jetzt das Geld an den Treuhänder und der konnte immerhin fast 96 % Quote zahlen.

Der Fall war damit noch nicht am Ende. Die Staatsanwaltschaft nahm nicht nur die Steuerstraftatbestände aufs Korn, sondern stützte die Anklage auch auf vorsätzlichen Bankrott durch Verheimlichen von Bestandteilen des Vermögens im Sinne von § 283 Abs. 1 Nr. 1 StGB. Das Landgericht folgte der Anklage und verurteilte den Schuldner zu zwei Jahren und neun Monaten Haft.

Der Schuldner wandte nun eigentlich sehr klug ein, dass der Bankrott doch längst verjährt sei. Im Strafrecht kann eine Tat nur verfolgt werden, wenn sie noch nicht verjährt ist, also eine vom Gesetz vorgesehene Zeit seit der verbotenen Handlung oder Unterlassung noch nicht verstrichen ist. Im Strafgesetzbuch ist die Verjährung an die Strafdrohung geknüpft. Je höher die Strafdrohung, desto länger die Verjährungsfrist. Nicht umsonst heißt es so schön: Mord verjährt nie. Für Bankrott tritt Verjährung nach fünf Jahren ein. Die Restschuldbefreiung dauert sechs Jahre, also wäre doch alles verjährt.

Der BGH führt in seinem Beschluss vom 14. März 2016 zum Aktenzeichen 1 StR 337/15 aus, dass dies nicht so einfach ist. Die Bankrotttat ist erst vollendet und die Zeit beginnt zu laufen, wenn die Restschuldbefreiung tatsächlich erteilt ist. In der ganzen Zeit vor der Insolvenzeröffnung ist der Schuldner zunächst nach § 20 InsO, danach bis zur Aufhebung des Insolvenzverfahrens aus § 97 Abs. 1 Satz 1 InsO und bis zur Erteilung der Restschuldbefreiung §§ 20, 97 InsO zu Aufdeckung von Vermögen verpflichtet. Dadurch, dass er Vermögen bis zum Tag der Restschuldbefreiung verheimlicht, setzt er sozusagen die Tat auf Dauer fort. Dieses Verhalten gefährdet die Gläubiger und sorgt für ein Fehlen des Starts der Verjährungsuhr.

Die Verurteilung wegen Bankrotts trotz langen Jahren des Verfahrens und letztendlich sogar Zahlung an die Gläubiger zeigt, wie gefährlich falsch verstandene Altersvorsorge sein kann. Natürlich hat nicht jeder Schuldner ein Schweizer Bankkonto, aber auch schon ein paar tausend Euro, die unter den Tisch fallen, können fatal sein. Fatal für die Restschuldbefreiung, die der Täter im BGH-Fall nicht bekam und die sicherlich auch in geringeren Fällen zurückgenommen wird, und fatal, weil Gefängnis drohen kann.

Zusammengefasst: Wer als Insolvenzschuldner Vermögen verheimlicht, riskiert Restschuldbefreiung und in einigen Fällen sogar die persönliche Freiheit. Nehmen Sie die Belehrung im Insolvenzantrag, alle Angaben müssen der Wahrheit entsprechen, niemals auf die leichte Schulter. Auch wenn in diesem Extremfall eine Steuer-CD bei der Aufklärung half, Insolvenzverwalter haben von Berufs wegen eine feine Nase für verstecktes Geld.