Die Pfändbarkeit der Energiepreispauschale (EPP)

Es ist wie in den Jahren zuvor auch 2022 ein Wunsch der Bundesregierung gewesen unnötige Härten der Wirtschaftsentwicklung auszugleichen. Das Mittel der Wahl war die Gießkanne. Das Projekt Energiepreispauschale sollte allen zu Gute kommen. Und Preissteigerungen abfedern. Leider hat der Gesetzgeber wie auch bei Corona-Prämien versäumt, sich allen rechtlichen Aspekten zu widmen. Die Pfändbarkeit der Energiepreispauschale, oder gerade deren Unpfändbarkeit, wurde völlig unbeachtet gelassen.

Irgendwie schien es allen Beteiligten entfallen zu sein, dass schon im Fall der Corona-Prämie eine lange Diskussion geführt wurde. Im Gesetzgebungsverfahren wurde vom Gesetzgeber weder im Referentenentwurf, im Plenum des Bundestags, noch in der später übernommenen Ausschussfassung noch im Bundesrat eine Unpfändbarkeit überhaupt nur erwähnt. In der Folge sahen sich Insolvenzschuldner und Verwalter der Aufgabe gegenüber, diese Frage vor Gericht zu klären. Der Meinungsstand kristallisiert sich langsam heraus und immer mehr Gerichte beziehen Stellung.

Eines der ersten Gerichte der Region Hamburg mit einer Meinung war das Amtsgericht Norderstedt. Bei der Energiepreispauschale handele es sehr wohl um einen dem Insolvenzbeschlag unterfallenden Neuerwerb. Dieser Meinung folgten aber keine weiteren Gerichte.

Die Rechtsfrage – Pfändbarkeit der Energiepreispauschale. Oder nicht?

Pfändungsschutzvorschriften

Der Ansicht, dass die EPP pfändbar ist, liegen folgende Gedanken zu Grunde. Im Insolvenzverfahren unterfallen alle Vermögensgegenstände nach § 35 InsO dem Insolvenzbeschlag, soweit sie pfändbar sind. § 36 InsO definiert die Pfändbarkeit über den Verweis auf die Pfändungsschutzvorschriften der ZPO. Dem Pfändungsschutz unterliegen danach Arbeitseinkommen nach der Tabelle des § 850c ZPO. Ebenso sind gesondert und abschließend aufgeführte Zusatzleistungen an den Arbeitnehmer der Pfändung entzogen, wie Sonn- und Feiertagszuschläge, Nachtarbeitszuschläge und Schmutzzulagen, Spesen und andere Ersatzleistungen wie Gefahrenzulagen. Für Sozialleistungen ist die Pfändbarkeit jeweils in den Regeln des SGB gesondert festgelegt. Die Energiepreispauschale ist als Einkommen aber keine Sozialleistung.

Die Energiepreispauschale ist im Einkommensteuergesetz geregelt. Die dortigen Normen (§ 119 EStG) qualifizieren die Pauschale als Einkommen im Sinne des § 2 EStG, also über § 19 EStG als Teil des Einkommens aus nichtselbstständiger Arbeit. Im EstG ist hingegen nicht geregelt, dass die Leistung unpfändbar ist.

Keine Pfändbarkeit weil zweckgebunden und unübertragbar?

Die Pfändbarkeit der Energiepreispauschale ist auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil es sich um eine zweckgebundene Leistung handeln könnte (§ 851 ZPO). Richtig ist, dass der Gesetzentwurf und die Begründung als Motivation für das Gesetzgebungsverfahren die drastische Preiserhöhung bei Energieprodukten als Folge des Angriffskriegs in der Ukraine sehen. Der Bürger soll entlastet werden. Es wird aber im Gesetz nicht festgelegt, wie die gewährte Entlastung zu verwenden ist. Wenn wie hier ein Geldbetrag quasi mit der Gießkanne ausgeschüttet wird, ohne ihm im Gesetz einen bestimmten Verwendungszweck zuzuweisen, dann ist § 851 ZPO unanwendbar. Es fehlt an der Zwecknorm.

Auch die Unübertragbarkeit im Sinne einer Änderung des Inhalts der Leistung, wie sie für § 851 ZPO ausreichen soll, ist hier nicht gegeben. Inhalt der Leistung ist eine Erhöhung der Barmittel der Bürger um einen willkürlich festgelegten Betrag. Der Staat schenkt seinem Bürger Geld unabhängig von deren tatsächlicher Belastung durch höhere Energiekosten. Wunsch des Gesetzgebers war es gerade, zur Vereinfachung der Abwicklung, diese formale Prüfung zu vermeiden. Auch eine Rückforderung der Energiepreispauschale bei fehlender Bedürftigkeit ist nie diskutiert oder gar festgelegt worden. Wenn jeder abhängig Beschäftigte die EPP erhält, dann ist es egal, welche Person die Summe letztendlich einzieht. Der Inhalt der Leistung, Erhöhung der Barmittel der Bevölkerung, wird damit nicht geändert. Die Zuwendung der EPP ist daneben vergleichbar mit einem Bonus, den der Arbeitnehmer aus anderen Gründen von seinem Arbeitgeber erhält. Boni sind zu voller Höhe der Lohnsumme des Abrechnungszeitraums zuzurechnen und erhöhen die pfändbaren Beträge.

Die sagen doch es ist unpfändbar

Die von Verfahrensbeteiligten immer wieder vorgetragene Darstellung des Bundesministeriums für Finanzen auf dessen Internetseite (FAQ) berührt die Frage der Unpfändbarkeit nicht. Wenn das Ministerium, also die Exekutive, in Ausführung eines Bundesgesetzes eine fehlerhafte Entscheidung trifft, so bleibt die Ausführung fehlerhaft.

Bei der FAQ handelt es sich zum einen, wenn überhaupt um bloßes faktisches Verwaltungshandeln eines Exekutivorgans ohne Rechtswirkung im Einzelfall oder gar gegen Alle und daneben wäre eine nicht vom Parlament erlassene Erweiterung oder Änderung des Gesetzes ein eklatanter Verstoß gegen die Gewaltenteilung.

Der soziale Aspekt – das ist unzumutbar

Diese nicht unbedeutenden Argumente für die Pfändbarkeit der Energiepreispauschale werden aber zwischenzeitlich von immer mehr Gerichten, darunter zuletzt das Amtsgericht Lüneburg, Beschluss vom 15.09.2022 – 46 IK 75/18, vom Tisch gewischt. Die rechtlichen Erwägungen seien ja alle ganz richtig, aber die EPP sei ein Ausgleich für soziale Härten und Insolvenzschuldner wären jedenfalls bereits durch das Verfahren in einer Art belastet, die eine weitere Härte nicht zuließen. Die Pfändung der EPP bei Insolvenzschuldnern verstößt gegen § 765a ZPO, da die Maßnahme unter voller Würdigung des Schutzbedürfnisses des Gläubigers wegen ganz besonderer Umstände eine Härte bedeutet, die mit den guten Sitten nicht vereinbar ist. Die Gläubiger müssten dies hinnehmen, da eine Pfändung der EPP eine Existenzgefährdung bedeuten würde.

Andererseits

Ich selbst stimme dem nicht zu. Im Gegensatz zum Bürger ohne Insolvenzverfahren, der sich einer Pfändung gegenüber sieht, will der Insolvenzschuldner Restschuldbefreiung erlangen, er mutet seinen Gläubigern also einen Zwangsverzicht auf teilweise nicht unbedeutende Forderungen zu. Dies stellt einen erheblichen Eingriff in die Gläubigerrechte dar und ist nach meiner Ansicht durch die Entscheidung des Amtsgerichts Lüneburg nicht hinreichend beachtet worden. Auch die Annahme, dass die Pfändbarkeit von 300,00 € in einem Monat zu einer Existenzgefährdung führen ist meiner Ansicht nach durchaus mutig. Denn Pfändbarkeit bedeutet nicht, dass man 300,00 € abzugeben hat, sondern dass die EPP dem übrigen Einkommen zugerechnet wird und aus dieser Gesamtsumme die Tabellenpfändung berechnet wird. Dies bedeutet typischerweise eine Teilung von ungefähr 50/50 zwischen Schuldner und Gläubigern.

Natürlich gilt wie immer, dass erstinstanzliche Entscheidungen ein Anzeichen für die Sicht des Gerichts sind und gegebenenfalls noch in höheren Instanzen anders lauten können. Zuletzt sei der typische Juristensatz angebracht: Es sind alles Einzelfallentscheidungen. Mein Fazit aus alledem ist nur: Wenn der Gesetzgeber sauber gearbeitet hätte, dann wäre vieles an Hin und Her zu vermeiden gewesen. Jetzt müssen es die Gerichte ausbaden. Mal wieder.

Haben Sie weitere Fragen hierzu? Verstehen Sie Ihren Verwalter oder das Gericht nicht? Rufen Sie mich gerne an.