Das bargeschäftsähnliche Verhalten – BGH zur fehlenden Kenntnis vom Benachteiligungsvorsatz

Die Vorsatzanfechtung nach § 133 InsO, das scharfe Schwert des Insolvenzverwalters ist ein gutes Stück stumpfer geworden. In einer erst vor wenigen Wochen gefassten Entscheidung (Urteil vom 04.05.2017 – AZ IX ZR 285/16) bremst der BGH die Annahme aus, dass wenn der Gläubiger weiß, dass der Schuldner einen Gewerbebetrieb führt, sich dem Gläubiger die Kenntnis aufdrängen, dass jede Zahlung an ihn bei eingetretener Zahlungsunfähigkeit mit dem Vorsatz geschieht, die anderen Gläubiger zu benachteiligen.

Im Rahmen der Beurteilung des subjektiven Teils des Anfechtungsrechts wurde in den vergangen Jahren immer wieder eine Kette von Annahmen und Schlüssen verfolgt. Sie beginnt mit der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners, seiner bewussten Inkaufnahme eines Schadens bei Gläubigern, wenn er selektiv zahlt und geht über zu der Kenntnis des Gläubigers von der Zahlungsunfähigkeit und dem Rückschluss aus dem laufenden Gewerbebetrieb auf andere Gläubiger und damit den Vorsatz.

Diese Kette hat der BGH nun unterbrochen. Der Gläubiger hat nicht allein deshalb Kenntnis vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners, nur weil er die Zahlungsunfähigkeit kennt weiß, dass der Schuldner ein Gewerbe betreibt. Nach Ansicht des BGH muss vielmehr bei der typischen Warenlieferung gegen Bargeld neben der Kenntnis vom Gewerbebetrieb noch hinzutreten, dass der Gläubiger weiß, dass das Gewerbe an sich defizitär ist.

Dem lag folgende, sehr klassische, Situation zu Grunde. Eine Schuldnerin ließ sich vom Gläubiger Waren liefern und blieb irgendwann ihre Rechnungen schuldig. Die Abbuchungen vom Konto gingen mangels Deckung zurück und der Lieferant stellte auf Warenlieferung gegen Vorkasse um. In den folgenden neun Monaten wurde weiter geliefert und die Schuldnerin zahlte im Voraus. Die Warenwerte entsprachen den Zahlungen. Die Tätigkeit der Schuldnerin war jedoch unrentabel, so dass letztendlich die Insolvenzeröffnet wurde. Der Verwalter sah einen Anspruch aus Vorsatzanfechtung und gewann vor dem Landgericht. Das OLG hingegen sah keine Kenntnis des Gläubigers vom Benachteiligungsvorsatz. Die bargeschäftsähnliche Situation und die fehlende Kenntnis von der dauernden Unrentabilität verhinderten dies.

Diesen Rechtsansatz hat der BGH nun bestätigt. Das Urteil ist eine Fortsetzung der Erweiterung der Rechtsprechung zur Bargeschäftsähnlichkeit. Wenn der Gläubiger dem Schuldner gleichwertige Sachen oder Dienste überlässt, die der Schuldner zur Fortsetzung seiner unternehmerischen Tätigkeit benötigt, so soll dies ein bargeschäftsähnlicher Vorgang sein. Zunächst ging es für den BGH nur um solch wesentliche Dinge wie Stromlieferungen. Nun erweitert der BGH seine Ansicht auf Warenlieferungen.

Der Schuldnerin sei bei Lieferung und Zahlung bewusst gewesen, dass sie insgesamt mit ihrem Unternehmen Verluste erwirtschafte, deshalb habe sie jedenfalls den nötigen Vorsatz gehabt. Der Gläubiger habe jedoch keine Kenntnis von der allgemeinen Lage des Unternehmens gehabt. Er habe aus der ihm bekannten Zahlungsunfähigkeit nicht auf die Gläubigerbenachteiligung schließen können. Die Indizienkette bricht danach bei einer unmittelbaren gleichwertigen kongruenten Gegenleistung ab. Weiß der Schuldner von fortdauernden Verlusten, so wird dies wieder aufgehoben (so schon BGH IX ZR 180/12).

Aber nun soll der Gläubiger dadurch, dass er Geld für eine unmittelbare gleichwertige kongruente Gegenleistung erhält, obwohl er die Zahlungsunfähigkeit kennt, vor der Anfechtung sicher sein, wenn ihm die Kenntnis der Verluste fehlt. Das schränkt die Anfechtbarkeit nach § 133 Absatz 1 InsO in einem erheblichen Maße ein.

Interessanterweise liefert der BGH aber keine wirkliche Begründung. Der Schluss von der erkannten Zahlungsunfähigkeit auf die Gläubigerbenachteiligung der trotzdem erfolgten bargeschäftsähnlichen Rechtshandlung sein „nicht gerechtfertigt“. Warum das so sein soll, wird nicht dargetan.

Dem ist so nicht zuzustimmen. Natürlich ist die Lage des Lieferanten ärgerlich, wenn er Ware liefert, Geld dafür bekommt und hinterher der Anfechtung unterliegt. Aber wenn sich aus den Gesamtumständen ergibt, dass der Schuldner zahlungsunfähig ist, er also gerade nicht alle seine Gläubiger vollständig befriedigen kann, dann ist der Schluss auf die Benachteiligung der übrigen Gläubiger zwingend.

Für Gläubiger ist diese Entscheidung eine Begrenzung der zum Teil heftigen Anfechtungsrisiken. Sie wird aber über eine Argumentation erkauft, die kaum logisch oder aus dem Gesetz begründbar ist. Es werden weitere Streitfälle folgen zur Frage, wann denn ein Gläubiger die Verluste des schuldnerischen Unternehmens kannte oder kennen musste. Ob sich der BGH damit einen Gefallen getan hat, wage ich zu bezweifeln.