Die Versagung der Restschuldbefreiung – BGH IX ZB 13/15

Das Ziel der meisten Verbraucherschuldner ist die Erlangung der Restschuldbefreiung. Vor dem Ziel liegen aber sechs Jahre richtigen Verhaltens. Das ist ein für manch einen Schuldner ein langer Weg und kann zu Problemen führen. Der BGH hatte sich nun mit der Frage auseinanderzusetzen, wann rein Gläubiger den Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung stellen kann. Und unter welchen Voraussetzungen. Dem Fall lag das bis zur Reform im Jahr 2014 geltende Recht zu Grunde, die Rechtsgedanken sind aber ohne weiteres auch auf das jetzt geltende Recht anwendbar.

Nach § 296 Absatz 1 Satz 1 InsO versagt das Insolvenzgericht dem Schuldner die Restschuldbefreiung, wenn ein Gläubiger dies beantragt und der Schuldner zwischen Beendigung des Insolvenzverfahrens und Ablauf der Abtretungsfrist schuldhaft seinen Obliegenheiten nicht nachkommt und dadurch die Gläubiger benachteiligt werden. Der Antrag kann nur innerhalb eines Jahres nach Bekanntwerden der Verletzung gestellt werden.

Der Gläubiger hat die Tatsachen, aus denen sich eine Verletzung der Obliegenheiten ergibt, die zeitliche Einordnung im Restschuldbefreiungsverfahren, die Beeinträchtigung der Gläubiger und schließlich die schuldhafte Verletzung und die Jahresfrist glaubhaft zu machen.

Hieran knüpft die Entscheidung des BGH vom 04.02.2016 zum Aktenzeichen IX ZB 13/15 an. Im entschiedenen Fall hatte das Insolvenzgericht die Obliegenheitsverletzung als nicht glaubhaft gemacht angesehen. Es sei nicht hinreichend vorgetragen, dass der selbständige Schuldner zu wenig an die Masse abgeführt habe, da nicht ersichtlich sei, dass eine Festanstellung überhaupt pfändbare Beträge eingebracht hätte. Das angerufene Landgericht wiederum sah sogar keine Zulässigkeit des Antrags, weil der Gläubiger nicht konkret benachteiligt war. Daneben setzt sich der BGH noch mit der Frage auseinander, wann denn eine fehlende eidesstattliche Versicherung im Sinne von § 296 Absatz 2 InsO als Versagungsgrund herangezogen werden kann.

Zur Glaubhaftmachung führt der BGH zunächst aus, dass der Gläubiger Tatsachen vortragen muss, aus denen sich eine Benachteiligung der Gläubiger ergibt:

„Der Gläubiger hat eine auf der Obliegenheitsverletzung beruhende Beeinträchtigung der Befriedigung der Insolvenzgläubiger dann glaubhaft gemacht, wenn bei wirtschaftlicher Betrachtung eine konkret messbare Schlechterstellung der Gläubiger wahrscheinlich ist (BGH, Beschluss vom 12. Juni 2008 – IX ZB 91/06, VuR 2008, 434 Rn. 3 mwN; vom 22. September 2011 – IX ZB 133/08, ZInsO 2011, 2101 Rn. 7). Die Befriedigung der Gläubiger ist nach der Rechtsprechung des Senats allerdings auch dann beeinträchtigt, wenn durch die Obliegenheitsverletzung nur Massegläubiger, wozu auch die Staatskasse bezüglich der Verfahrenskosten gehört, benachteiligt werden (BGH, Beschluss vom 21. Juni 2012 – IX ZB 265/11, ZInsO 2012, 1581 Rn. 8). Entscheidend ist danach, dass der Gläubiger Tatsachen glaubhaft macht, aus denen sich ergibt, dass für die Befriedigung der Gläubiger – hätte der Schuldner die Obliegenheit beachtet – wirtschaftlich mehr Mittel zur Verfügung gestanden hätten als dies tatsächlich der Fall war.
Im Fall des § 295 Abs. 2 InsO genügt der Gläubiger seiner Pflicht zur Glaubhaftmachung einer Obliegenheitsverletzung und der Beeinträchtigung der Befriedigung der Insolvenzgläubiger bereits dann, wenn er darlegt, dass der Schuldner an den Treuhänder nicht den Betrag abgeführt hat, den er bei Aus-übung einer vergleichbaren abhängigen Tätigkeit hätte abführen müssen (BGH, Beschluss vom 7. Mai 2009 – IX ZB 133/07, ZInsO 2009, 1217 Rn. 5; vom 19. Mai 2011 – IX ZB 224/09, ZInsO 2011, 1301 Rn. 7; vom 10. Oktober 2013 – IX ZB 119/12, ZInsO 2014, 47 Rn. 8, 11). Sofern der Gläubiger glaubhaft macht, dass der Schuldner statt einer selbständigen Tätigkeit ein angemessenes Dienstverhältnis hätte eingehen können und er im Rahmen des angemessenen Dienstverhältnisses ein Einkommen erzielt hätte, aus dem unter Berücksichtigung etwaiger Unterhaltspflichten ein nach den Bestimmungen des § 850c ZPO pfändbarer Betrag verblieben wäre, der höher ist als die tatsächlich vom Schuldner aufgrund seiner selbständigen Tätigkeit an den Treuhänder geleisteten Zahlungen, ist damit regelmäßig zugleich glaubhaft gemacht, dass die Verletzung der Obliegenheit aus § 295 Abs. 2 InsO die Befriedigung der Insolvenzgläubiger beeinträchtigt. Leistet der selbständig tätige Schuldner während der Wohlverhaltensperiode überhaupt keine Zahlungen an den Treuhänder, ist eine Beeinträchtigung der Befriedigungsmöglichkeiten der Gläubiger demnach schon dann glaubhaft, wenn sich bei Einkünften aus einem angemessenen Dienstverhältnis ein pfändbarer Betrag ergeben hätte.“

Zahlt der selbständig tätige Schuldner also nichts in die Masse, dann kann ein einziger hypothetisch pfändbarer Euro schon zu einer Gläubigerbeeinträchtigung führen. Dieser Vergleich ist für den Gläubiger zwar schwierig, aber durch die Vielzahl verfügbarer Datenquellen in Internetvergleichsportalen durchaus möglich.

Zur Frage was denn der Gläubiger vorzutragen hat, wenn ein Selbständiger mehr hätte abführen müssen, ergänzt der BGH:

„Behauptet der Gläubiger einen Verstoß gegen § 295 Abs. 2 InsO, hat er Tatsachen glaubhaft zu machen, aus denen sich der Schluss ziehen lässt, es bestehe eine überwiegende Wahrscheinlichkeit, dass dem Schuldner eine bestimmte abhängige Tätigkeit möglich gewesen ist und der Schuldner aus einem solchen – fiktiven – angemessenen Dienstverhältnis ein Netto-Einkommen erzielt hätte, das die Pfändungsfreigrenzen des § 850c ZPO überstiegen hätte. […]

Hingegen ist es – wie der Senat wiederholt entschieden hat – für eine Obliegenheitsverletzung nach § 295 Abs. 2 InsO unerheblich, ob der Schuldner als selbständig Tätiger einen Gewinn erzielt hat oder ob er einen höheren Gewinn hätte erwirtschaften können (BGH, Beschluss vom 19. Mai 2011 – IX ZB 224/09, ZInsO 2011, 1301 Rn. 6; vom 17. Januar 2013 – IX ZB 98/11, ZInsO 2013, 405 Rn. 10; vom 26. Februar 2013 – IX ZB 165/11, ZInsO 2013, 625 Rn. 7). […]

Angemessen ist nur eine dem Schuldner mögliche abhängige Tätigkeit (BGH, Beschluss vom 26. Februar 2013 aaO mwN). Demgemäß muss der Gläubiger sowohl Tatsachen vortragen, aus denen sich die Höhe eines fiktiven Nettoeinkommens aus einem angemessenen Dienstverhältnis ergibt, als auch diese Tatsachen glaubhaft machen.“

Die vom Landgericht aufgeworfene Zulässigkeitsfrage verwirft der BGH mit dem Argument, dass nur eine allgemeine Beeinträchtigung des Gläubigers vorliegen muss und nicht gerade die konkrete Beeinträchtigung des Antragstellers. Anderes sei dem Gesetz nicht zu entnehmen.

Darüber hinaus nimmt der BGH Stellung zur Frage, wann denn eine fehlende oder falsche eidesstattliche Versicherung der Erfüllung der Obliegenheiten durch den Schuldner zu einer Versagung führt. Hier führt er aus, dass die bloße Aufforderung zur Stellungnahme zu einem Antrag nicht hinreichend die Automatik des § 296 Absatz 2 InsO auslösen kann. Nur wenn das Insolvenzgericht den Schuldner konkret auffordert zu seinen Obliegenheiten im Einzelnen Stellung zu nehmen und ihn auf die folgender eidesstattliche Versicherung hinweist, kann die Versagung erfolgen.

Zusammengefasst:
Der Antrag eines Gläubigers auf Versagung der Restschuldbefreiung ist schon möglich, wenn nur ein Gläubiger, und sei es der Staat wegen unbezahlter Verfahrenskosten, benachteiligt wird. Er selbst muss keinen Nachteil erleiden.

Der Antrag auf Versagung wegen zu geringen Leistungen eines Selbständigen bedarf des Vortrags von Tatsachen aus denen sich ergibt, dass mit überwiegender Wahrscheinlichkeit eine angestellte Tätigkeit zu mehr Massegeführt hätte, wobei ein Mehr schon ein Euro sein kann. Vorzutragen ist die Art des dem Schuldner angemessenen Dienstverhältnisses und der ihm mögliche Nettoverdienst.

Der Gläubiger sollte darauf hinwirken, dass das Gericht den Schuldner nicht nur zur Stellungnahme auffordert, sondern im Sinne von § 296 Absatz 2 InsO konkret befragt und auf die Folgen des § 296 Absatz 2 InsO hinweist