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Keine KFZ-Zulassung wegen rückständiger Gebühren – Bei Restschuldbefreiung unzulässig (OVG Saarland 1 A 121/15)

Die meisten Menschen brauchen ein Auto. Das muss zugelassen sein, sonst gibt es Probleme. Das hat sich der Staat zu Nutze gemacht und zur Sicherung seiner Ansprüche auf Steuern und Gebühren den Zulassungsbehörden die Möglichkeit gegeben, die Neuzulassung eines KFZ erst dann vorzunehmen, wenn alte Schulden beglichen sind. Ein sehr wirksames Druckmittel. Das fand auch eine ehemalige Schuldnerin zu ihrem Leidwesen heraus.

Die ehemalige Schuldnerin wollte 2013 ein Auto zulassen. Die Behörde verweigerte die Zulassung, da aus dem Jahr 2004 bzw. 2005 noch rund 175 € an Gebühren offen seien. Die Betroffene schluckte die bittere Pille und zahlte.

Dann aber beantragte sie die Rückerstattung der gezahlten Gebühren. Ihr sei im Jahr 2007 rechtskräftig die Restschuldbefreiung erteilt worden. Die Forderung der Zulassungsstelle stamme aus der Zeit vor der Insolvenzeröffnung und sei von ihr im Insolvenzantrag angegeben worden. Die Behörde habe sogar versucht, die Forderung anzumelden, sei aber durch Fristversäumnisse an einer Beteiligung am Insolvenzverfahren gescheitert. Das könne aber nicht ihr als Schuldnerin angelastet werden. Die erteilte und vor allem rechtskräftige Restschuldbefreiung erfasse auch die öffentlich-rechtliche Gebührenforderung.

Die Behörde weigerte sich das Geld wieder herauszurücken. Grund sei, dass § 1 der „Verordnung zur Verweigerung der Zulassung von Fahrzeugen bei Rückständen an Gebühren und Auslagen aus Zulassungsvorgängen“ der Behörde das Recht gebe, vom Schuldner aus dessen insolvenzfreiem Vermögen Zahlung zu verlangen, wenn er eine neue Zulassung bei Rückständen begehre.

Das Verwaltungsgericht hielt es mit der Behörde und lehnte die Klage der Ex-Schuldnerin ab. Das Oberverwaltungsgericht Saarland (OVG) hat in seinem Urteil vom 14.09.2016 (gerichtliches Aktenzeichen: 1 A 121/15) hingegen das Urteil aufgehoben und der ehemaligen Schuldnerin einen Erstattungsanspruch zugesprochen.

Das OVG definiert zunächst die Rechtsgrundlage, hier der öffentliche-rechtliche Erstattungsanspruch für Rechtslagen, die der ungerechtfertigten Bereicherung im Zivilrecht ähneln, und bestätigt die Formalien der zulässigen Klage.

In seiner Anspruchsprüfung kommt das Gericht rasch zur Erkenntnis, dass hier die Behörde tatsächlich durch die Zahlung einen Vermögensvorteil von 175,29 € erlangt hat. Dann wendet es sich der Rechtmäßigkeit zu und findet an der eigentlichen Grundlage, nämlich dem Gebührenrecht im Zulassungswesen, nur zum kleinen Teil einen Fehler. Gegen die Antragstellerin festgesetzte Vollstreckungskosten von 10,25 € aus dem Jahr 2010 seien aus vollstreckungsrechtlichen und insolvenzrechtlichen Erwägungen schon ohne richtige Festsetzung verlangt worden.

Interessant wird es dann aber, weil sich das OVG nun mit der insolvenzrechtlichen Besonderheit für die wirksam festgesetzten alten Gebühren von vor 2005 auseinanderzusetzen hat. Es stellt darauf ab, dass die Schuldnerin gemäß § 300 InsO wirksam die Restschuldbefreiung erteilt wurde. Die Restschuldbefreiung wirke auch gegen öffentlich-rechtliche Gläubiger wegen Abgaben oder Steuern und verweist dazu auf ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 26.02.2015 (gerichtliches Aktenzeichen: 3 C 8/14). Erfasst seien auch nicht oder zu spät angemeldete Forderungen, wie hier. Wirkung der Restschuld ist die Herabstufung von nicht bezahlten Forderungen zu „unvollkommenen Verbindlichkeiten“. Das heißt, man kann sie noch bezahlen aber man kann nicht mehr durch Zwangsvollstreckung gezwungen werden. Hier hat die Behörde nach Ansicht des OVG ihre Monopolstellung als einzige zuständige Stelle des Wohnortes der Klägerin für Zulassungen von KFZ ausgenutzt und die Klägerin gezwungen zu zahlen oder auf ein Fahrzeug zu verzichten. Diese Zahlung sei ein Verzicht der Klägerin auf die Wirkung des § 301 InsO, den die Behörde ihr nicht hätte abverlangen dürfen, da dies dem Zweck der Restschuldbefreiung zuwiderläuft. Gedeckt sei dieses Verhalten auch nicht von § 1 Verordnung zur Verweigerung der Zulassung von Fahrzeugen bei Rückständen an Gebühren und Auslagen aus Zulassungsvorgängen, da dieses Landesrecht durch die Normen der InsO als Bundesrecht ausgelegt werden müsse.

Damit stehe die Wirkung des § 301 InsO dem §1 der Verordnung entgegen. Der Fall einer erteilten Restschuldbefreiung unterscheide sich gerade von den Fällen der Zahlung aus dem insolvenzfreien Vermögen im eröffneten Verfahren oder in der Wohlverhaltensperiode. Unterschied zu diesen Fällen sei, dass der Schuldner bis zur rechtskräftigen Erteilung der Restschuldbefreiung zur Zahlung verpflichtet bleibe und danach eben nicht mehr.

Zuletzt beschäftigt sich das OVG mit dem Einwand, die Zahlung auf eine unvollkommene Verbindlichkeit nach § 301 Absatz 3 InsO sei eben nicht zurückzuzahlen. Hier legt das OVG den § 301 Absatz 3 InsO einschränkend aus. Wer den Schuldner unzulässig unter Druck setzt kann sich auf die Unvollkommenheit eben doch nicht berufen. Der Vergleich mit der Rechtsprechung zu § 814 BGB zeige, dass dies auch im Fall der ungerechtfertigten Bereicherung durch den BGH so gehandhabt werde und damit § 301 Absatz 3 InsO nur freiwillige Zahlungen meine. Die sei hier aber gerade nicht gegeben.

Zusammengefasst:
Verweigert eine Zulassungsstelle dem ehemaligen Schuldner nach erfolgter rechtskräftiger Restschuldbefreiung die Zulassung eines KFZ wegen von der Restschuldbefreiung erfasster offener Gebühren und Abgaben, so ist dies unzulässig. Trotzdem unter Zwang gezahlte Gelder sind zurückzuerstatten.